71 ZEITGEDICHTE 7101-14
72 GESTALTEN 7201-14
73 GEZEITEN 7301-21
74 MAXIMIN 7401-21
75 TRAUMDUNKEL 7501-14
76 LIEDER 7601-28
77 TAFELN 7701-70
DER SIEBENTE RING erschien 1907 in sieben zyklen oder büchern mit dreimal vierzehn · zweimal einundzwanzig · achtundzwanzig und siebzig gedichten und wieder - allerdings zum lezten mal - von Melchior Lechter gestaltet. Da es sich um den siebenten gedichtband Georges handelt scheint sich der titel fast von selbst zu erklären. Möglicherweise ist er aber als hinweis gemeint dass sich alles um den in linearer reihenfolge gesehen vierten ring dreht um den sich die anderen sechs legen wie die jahresringe einer baumscheibe denn George mag damals die Maximin-gedichte tatsächlich noch für wichtiger sogar als die ZEITGEDICHTE gehalten haben. Allerdings müsste dieser innerste dann eher als erster ring bezeichnet werden. Dass Lechter - wie M glaubt - den titel nicht verstand als er sieben „Metallringe” (M) zeichnete und dass George die anderen sechs bücher derartig abwertete ist daher keineswegs ausgemacht. Morwitz erzählt dass er in Heidelberg als neunzehnjähriger die von Gundolf geschriebene druckvorlage an Lechter nach Berlin schickte der dann ohne dazu beauftragt worden zu sein die zeichnungen anfertigte die George - um den freund nicht zu kränken - so hinnahm.
Ein jahr später lag die öffentliche ausgabe in den läden - schlicht und nun in den von George entworfenen StG-lettern die erstmals für die dritte auflage des JAHRS DER SEELE eingesezt worden waren. Abgebildet ist die sechste auflage von 1922.
Alle gedichte (nur nicht 7112) erschienen vorab in den BfdK - GOETHE-TAG 7103 schon 1899 · NIETZSCHE 7104 1901 und die anderen 1903 oder 1904. Sie umfassen stets vier strofen mit je acht blankversen.
"Zeitgedichte" sind keine erfindung Georges. Der begriff stammt von dem aufklärer Johann Wilhelm Ludwig Gleim der neben seinen anakreontischen gedichten auch lehrhaftes hervorbrachte womit er sich allerdings nur an einen kleineren kreis wandte (ähnlich dann George der sie zunächst in den BfdK drucken liess). Merkmale sind der anstoss durch ein aktuelles ereignis oder der bezug auf ein gegenwärtiges geschehen und dessen oft ablehnende kommentierung.
Andererseits umreissen Georges ZEITGEDICHTE die ja alle grossen epochen in erinnerung rufen einen historischen bildungshorizont für die erziehung im Kreis der nicht nur vorbilder in szene sezt und eine ethische haltung im auge hat sondern auch einen festen wissensstoff und zugleich gefühle wie schauer und bewunderung (weshalb begriffe wie wunder oder geheimnis bei George nicht verpönt sondern fest verankert sind). Ein gutes beispiel dafür bietet etwa das staufergedicht 7109. Georges wissenschaftsbegriff zielt nicht auf unterscheidung von wissen und mythen sondern auf deren verbindung. Heutige gymnasien vermitteln keines von beidem mehr (wenn etwa in den "entrümpelten" gymnasialen lehrplänen der mittel- und oberstufe selbst im früheren stauferland von der gesamten stauferzeit keine rede mehr ist) und entlassen die meisten ihrer absolventen in einer mischung aus historischer ahnungslosigkeit und naiver eindimensionalität (was ihnen den zugang zu ihrem erbe ebenso erschwert wie die grammatische unbedarftheit. Gleichwol kann sich jeder selbst helfen · einfacher denn je). Die verdummung wird seit einem halben jahrhundert gern in kauf genommen: wo das bewahrenswerte nicht mehr bekannt ist soll konservatismus gar nicht erst entstehen können (stattdessen tauchen verkrüppelte surrogate auf die jeden konservativen erröten lassen). Der preis dafür wird in der gegenwart nun sichtbar.
II,1 : anspielung auf die mühen denen sich der junge George unterwarf (von denen die in der FIBEL versammelten „rauhen werke” zeugnis ablegen) bis seine verse die vom publikum geschätzte qualität endlich erreichten
III,5 arkadisch : das griechische arkadien war der inbegriff der idyllischen landschaft und deshalb in der anakreontischen hirtendichtung des rokoko der bevorzugte schauplatz galanter szenen. Georges spott soll jene treffen die seine lyrik wegen ihrer in herbstlicher melancholie liegenden parklandschaften lasen oder gar nachahmten.
Da konnte damit gerechnet werden dass so viel wirklichkeitsnähe bei manchen auf befremdung stoossen würde die George immer noch als symbolisten oder neuromantiker - jedenfalls als „salbentrunknen prinzen” einstuften. Er bemüht sich daher - und weil er sich kaum gerne die notwendigkeit einer kurskorrektur nachsagen lassen wollte (eine „Änderung im Wesentlichen” habe - erläutert M - George bei menschen über dreissig jahren für „unstatthaft” gehalten) - den anschein eines neuen künstlerischen standorts gar nicht erst aufkommen zu lassen: „ich tat das gleiche (wie zuvor)”. Ganz richtig ist die behauptung sicher nicht - aber auch nicht völlig falsch.
DAS ZEITGEDICHT will aber mehr als nur eine vorbemerkung in eigener sache sein. Der angriffslustige ton lässt aufhorchen. Er richtet sich gegen alle die George seine entwicklung übelnehmen egal aus welchem lager sie kommen (beispielsweise fiel bei einem alten freund wie Albert Verwey die zustimmung sehr verhalten aus). Gemeint sind also viele der eigenen leser: die „Publikumsbeschimpfung” gab es lange vor Handke. Bei George dient sie nicht der erregung von aufmerksamkeit sondern ganz bewusst zur abkopplung der bürgerlichen · einer mittelmässigen mehrheit zuzurechnenden bewunderer des frühwerks · einer klientel die in wahrheit keine ahnung von ihm hat (nur spöttisch spricht er sie als „ihr kundige” an) und deren dichter er nicht sein will (auch wenn sie die verkaufszahlen seit dem JAHR DER SEELE hinauftrieben). Sie nennt er „feind” und die gesellschaft ihr haus in das er zerstörend eingedrungen sei. Unerträglich laut und gierig lässt George alle beschränkten durch ihr ödes leben stolpern · nennt sie blind weil sie nicht sehen wollten dass das „empörer”tum hinter nur „dünnem schleier” schon im jungen George schlief. Im gegenteil · seit den „schmeichelnden” tönen von NACH DER LESE seien sie ihm wie einem „pfeifer” oder rattenfänger so verfallen gewesen dass sie schon damit begannen die kunst über ihre eigene welt zu stellen - ja dass sie selbst zu „säuseln” und zu „prunken” begannen wie sie es bei George zu wahrzunehmen glaubten. Es ist bezeichnend für George dass er darin keinen erfolg erkennen möchte. Von einer rapide wachsenden anhängerschaft kann er schon deshalb nie geträumt haben weil ihm jeder glaube an belehrung und echte „besserung” der massen fremd war. Stattdessen bevorzugte er stets die in 6107 eingeführte „kleine schar” der nun in den ZEITGEDICHTEN gültige vorbilder und erstrebenswerte muster vorgelegt werden.
Gegen bürgerliche religiöse oder litteraturgeschichtliche konventionen hatten sich in der tat schon frühe gedichte gerichtet: angefangen in den HYMNEN (schon mit der frechen umdeutung des musenkusses in 101 oder dem ganz anders provozierenden autoerotischen höhepunkt in 105) über die PILGERFAHRTEN (etwa mit dem achselzuckend hingenommenen ertrinken der frommen aber im stich gelassenen mädchen in 202) bis zur konzeption der manchmal zynischen aber stets dennoch faszinierenden ALGABAL-gestalt und dem verlockend schönen tod des selbstmörders am ende der HÄNGENDEN GÄRTEN (in 4531). Wenig salbentrunken war auch der einem one-night-stand ähnliche kurze SIEG DES SOMMERS über die vorangegangene endlos lange qual der mann-frau-beziehung. Vor allem aber sei erinnert an die unverhohlene sympathie für den TÄTER in 6210. Schnell zusammenklauben lassen sich diese beispiele · war doch jedes von ihnen unvergesslich eindrucksvoll: aber wie viele - argwöhnt George - haben sie einfach nicht verstanden und verstehen nun erst recht nicht den kämpferischen ton der neuen gedichte und trauern der verlorenen „hoheit” eines dichters nach der nun „schreit” anstatt in anmut und würde takte zu zählen - während („da”) „greise” (für die George selten etwas übrighat) - selbst sozusagen im sicheren zuhause am gemütlichen ofen sitzend - die neue haltung gut finden weil sie ihren vorstellungen von tapferer männlichkeit entspricht. Beiden gruppen ist gemeinsam dass sie die kontinuität im werk des Dichters verkennen . . der rasch wieder zurückfinden könnte zu den unverfänglicheren tönen für die das flötenlied des knaben steht (den Lechter dann sogleich als vignette in das titelblatt des GEDENKBUCHS aufnahm (bei T09).
Es gibt einige gründe warum George sich so stark mit Dante identifizierte: Beide sahen sich als erneuerer der lyrik ihres landes aber auch als ethische führer oder richter. Dante der in seiner heimat Florenz zeitweise der regierung angehörte wurde nach dem sieg der papstfreundlichen „schwarzen” Guelfen des landes verwiesen und galt für den rest seines lebens als oppositioneller. M nennt ihn ein „Spiegelbild” Georges. Seine verehrung der minderjährigen Beatrice scheint in Florenz argwohn geweckt zu haben während sie bei George auf verständnis traf. George ordnete die Divina Commedia im Lektürekanon des Kreises bei den „unbedingten” ein · auch hatte er ja abschnitte daraus in seiner übertragung veröffentlicht.
Zahlreiche hinweise bei M erleichtern das verständnis des gedichts. Die teils dramatisierend teils beinahe ironisch wirkende darstellung der verliebtheit in die „Holdseligste” könnte sich demnach gegen allzu „süssliche” darstellungen der begegnung Dantes mit Beatrice wenden die von den englischen präraffaeliten in umlauf gebracht wurden. Ihr nachname Portinari habe wol zu der idee geführt die begegnung an einem „torgang” stattfinden zu lassen. Zugleich erinnere das wort aber auch daran dass die erste begegnung mit dem ungefähr gleichaltrigen Maximilian an Münchner Siegestor stattfand. Durch quellen belegt sei die begegnung am torgang nicht; wol aber die tröstung durch einen freund (Guido Cavalcanti). In ähnlicher weise hat George ja mit der überschrift AUF DAS LEBEN UND DEN TOD MAXIMINS (vor 7410) auf Petrarcas liebe zu der ebenfalls noch sehr jungen Laura angespielt.
Viel raffiniertheit steckt in den lezten versen der ersten strofe. Zuerst lässt es schmunzeln wie George doch nicht zulassen kann dass Dante allein wegen der „huld” der geliebten den schmerz überleben konnte: die eigene kunst hat - so viel stolz muss sein - gleichen anteil daran. M legt durchaus nahe dass George nach der freundschaft mit Maximilian den spott der zeitgenossen über Dante besonders stark empfinden konnte. Vielleicht ist es auch gar kein zufall dass George Dante gerade hier im plural sprechen lässt. Es scheint dass Dante zulezt die kommentare der zeitgenossen wiedergibt: ihr unverständnis über die klagen wegen - in ihren augen - „planen minnen” also einer als (angesichts des alters der geliebten) banal oder nicht ernstzunehmend aufgefassten liebe und über das unvermögen der liebenden sich ihrer geringfügigkeit und vergänglichkeit ihres liebens bewusst zu werden.
Als junger mann kämpfte Dante auf guelfischer seite gegen die Ghibellinen und bekleidete danach hohe ämter in der republik Florenz. Als sich die Guelfen spalteten stand Dante auf seiten der unterlegenen „weissen” partei und musste die stadt verlassen. Sein haus wurde zerstört und sein besitz enteignet. Auf diese jahre der inneren zerrüttung seiner schliesslich für immer verlorenen heimat nimmt die zweite strofe bezug ohne dass die klage das lezte wort behielte.
Trotzdem wuchs zwischen Etsch und Tiber in den jahren des exils sein ruhm obwol keiner der leser „glut und klaue” ähnlich intensiv wie der sprecher empfinden konnte. Die düsternis angesichts der politischen verhältnisse seiner zeit - er nennt neben dem schmerz den zorn auf „lasse” (also nachlässige) und „verruchte” Mächtige - packte er in die wegen ihrer unvergänglichkeit „formen von erz” genannten verse des „Inferno” - der darstellung seiner reise durch die neun kreise der hölle im ersten teil der „Commedia” wobei er den verhassten natürlich begegnet. Damit ist die verbindung zum zeitgedicht hergestellt.
Verkannt fühlt sich Dante durch die weniger günstige aufnahme seines „Paradiso” der ihm anders als die „Hölle” das „volle feuer” abverlangte. M sieht sich an das vorangegangene ZEITGEDICHT erinnert in dem mit dem flötenlied des knaben die preisende dichtung das lezte wort behält - wie bei Dante mit der abschliessenden behandlung des paradieses die manchen zeitgenossen wie die schwächliche leistung eines knaben oder greises geringschätzten. Der lezte der dreiunddreissig gesänge des "Paradiso" - der einhundert der "Commedia" - endet mit den worten "schon ward mein wünschen und wollen wie ein gleichmässig bewegtes rad herumgetrieben von der liebe, die die sonne regt und die andern sterne." (1997, 333)
Das "stille haus" am Grossen Hirschgraben gehörte zur zeit von Georges besuch dem Freien Deutschen Hochstift. Es wurde 1944 von bomben völlig zerstört · war aber 1951 bereits wieder errichtet.
Man muss der auffassung nicht zustimmen dass die "Huldigung" Goethes zur einhundertfünfzigsten wiederkehr seines geburtstags in Frankfurt "würdelos" begangen wurde. Ob ein heutiges Goethe-jubiläum mit seinen unvermeidlichen "highlights": hüpfburg am tag · lightshow am abend und dragqueen-Mignon in der nacht - ebenso vorhersagbar wie 1899 die honoratioren-worte die bekränzten fassaden und chormädchen - George besser gefallen hätte?
Die frage ist müssig: Der fremde aus Bingen der damals am frühen morgen ankam den Hirschgraben aufsuchte und vor dem eintreffen der ersten besucher sich schleunigst zurückzog würde es heute nicht wagen nur einen fuss vor das gebäude des hauptbahnhofs zu setzen - und die erfahrung zu riskieren was "des volkes räude" wirklich ist. Anders gesagt: 1899 war die zeit noch nicht reif für Georges GOETHE-TAG und das gedicht dadurch ungerecht. Ist sie es heute? Ja - nur wäre die empörung über Georges verse ungleich grösser. Echte profeten können selten mit applaus rechnen.
II,4-6 : Das zitieren Goethes zur untermauerung der eigenen ansichten oder zur demonstration der eigenen bildung war in Deutschland lange zeit üblich.
Das gedicht bezieht sich auf Goethes einhundertfünfzigsten geburtstag am achtundzwanzigsten august 1899 der nicht zulezt in seiner geburtsstadt Frankfurt unter grosser anteilnahme der bevölkerung gefeiert wurde. Es muss noch am selben tag entstanden sein. George fuhr noch vor tagesanbruch in Bingen ab so dass die in Frankfurt für die besuchermassen aufgebauten tribünen-gerüste noch leer waren als er den bahnhof verliess. Die mittelalterlichen befestigungsanlagen waren bis auf einen lezten rest - die Staufenmauer die hier gemeint ist - schon in napoleonischer zeit abgetragen worden. Nach kurzem blick auf das geburtshaus verliess er die stadt bereits wieder so dass die drei lezten strofen lediglich Georges vorstellungen vom verlauf des festtages als eines massen-events andeuten wie es heute mit oder ohne anlass gang und gäbe ist · dem aber gerade die „ehrfurcht” und das empfinden eines „geweihten raums” ganz abgehen. Die trampelnde und alles begrapschende „festesmenge” wird in der dritten und vierten strofe in gedanken sogar angesprochen: sie habe keine vorstellung von der inneren qual die Goethe als kind und bis ins mannesalter begleitete. M nennt als beispiele die von der mutter verwehrte zuneigung des jungen Goethe zu einem zigeunerknaben (dem vorbild zu jener misshandelten ungefähr dreizehn jahre alten Mignon die Wilhelm Meister in den Lehrjahren freikauft und in knabenkleidung zu seiner begleiterin macht) und äusserungen in Dichtung und Wahrheit. Es ist leicht zu erkennen dass Goethe hier züge des jungen George zeigt: insbesondere ein der selbsterkenntnis dienender blick in den brunnen ist ja bei George geläufig. M nennt auch das verbergen von schmerz hinter einem lächeln. Der eigentliche vorwurf gilt schliesslich der meinung jener menge Goethe als einen der ihren vereinnahmen zu können - obwol die animalischsten triebe das einzige seien das sie mit ihm gemeinsam habe. Die lezten zeilen drücken Georges ansicht aus dass Goethes bedeutung noch nicht voll erfasst worden sei während manches an ihm gefeierte in wahrheit bereits verblasst sei.
Das gegenstück zur hier ausschliesslich düsteren zeichnung der "festesmenge" die lediglich das sinnlich wahrnehmbare zu "glauben" bereit ist bietet 7108 wo die "tausendköpfige menge" die sich im Petersdom oder auf dem Petersplatz vom "wunder" noch ergreifen lässt wenigstens für einen augenblick schönheit gewinnen kann.
I,4 Donnerer und I,7 blitze: anspielung auf Zeus um Nietzsches bedeutung zu unterstreichen
I,7 tote stadt : stellt eine beziehung her zu 7113
I,8 aus langer nacht : es war damals üblich von Nietzsches umnachtung zu sprechen die mit dem zusammenbruch 1889 in Turin eingesezt hatte als Nietzsche liebevoll das geschlagene kutschpferd umarmte (nach einem bericht seines Turiner zimmer-vermieters der neuerdings bezweifelt wurde).
II,4 das getier : wol auch auf Elisabeth Förster-Nietzsche zu beziehen die ihren kranken bruder in den lezten jahren pflegte und auf ihre weise vermarktete. Dabei zögerte sie nicht den eindruck einer übereinstimmung Nietzsches mit den imperialistischen und militaristischen tendenzen des kaiserreichs unter Wilhelm II. herbeizuführen. M verweist darauf dass George diesen opportunismus scharf kritisierte und Nietzsches antisemitische schwester nicht einmal kennenzulernen wünschte.
Den anlass zu dem gedicht gab der tod Nietzsches am fünfundzwanzigsten august 1900. Veröffentlicht wurde es 1901 in den BfdK. Über seinen besuch von Nietzsches auf einem hügel gelegener villa „Zum Silberblick” in Weimar berichtete Gundolf in einem brief an Wolfskehl vom neunzehnten dezember 1900 mit ganz ähnlichen angaben · doch ist unklar ob er sich dabei in begleitung Georges befand. Als führer „vor den zeiten” und sich selbst opfernder „Erlöser” mit „blutiger krone” wird Nietzsche unerhört herausgehoben. Mit der zweiten gedichthälfte erkennt man wo George anlass sah von Nietzsche abzurücken ohne ihm freilich vorwürfe zu machen. Die rastlosigkeit und das unvermögen „eines baues froh” zu sein teilte er ja im grunde noch mit Nietzsche. Den „schmerz der einsamkeit” aber hat Nietzsche in Georges augen selbst verursacht indem er sich jede sehnsucht verbot. Hierin liegt zugleich der tiefste unterschied zu George: Nietzsche scheint auf seinem weg „über eisige felsen” nie geliebt und nicht einmal wert auf einen kreis von freunden gelegt zu haben. Es mag durchaus sein dass George hier im auge hat dem entstehenden Kreis ein zeichen zu geben. „Der” am anfang der lezten strofe Nietzsche zu spät auf die notwendigkeit der liebe hingewiesen hätte ist wol George selbst (der im märz 1889 von Montreux nach Mailand fuhr - vergleiche zu 220 - und somit kurz nach Nietzsches zusammenbruch einen abstecher nach Turin gemacht haben könnte). Zu beklagen dass Nietzsche nicht „gesungen” habe sezt voraus dass er es hätte tun können · dass er besser ein grosser dichter hätte werden sollen. In den drei lezten zeilen erkennt M anspielungen auf den „Aufenthalt Nietzsches an der Riviera” sowie auf das „Nachtlied” im zweiten band des Zarathustra und Nietzsches „Versuch einer Selbstkritik” (die vorrede zur Geburt der Tragödie in der auflage von 1886).
M erzählt dass er als neunzehnjähriger von George gefragt wurde ob er Nietzsches werke gelesen habe. Er bejahte sprach sich aber gegen den Zarathustra aus. „Daraufhin tadelte Stefan George mich scharf, es stehe einem jungen Menschen nicht zu, ein Urteil über einen Genius zu fällen, dessen Bedeutung der Beurteiler noch gar nicht ermessen könne. Lange Zeit hindurch erinnerte er mich mündlich und in Briefen an diese unangebrachte Äusserung.” Über noch nicht verstandene dinge einfach loszuplappern · womöglich gar urteile zu äussern war bei George verpönt.
"Du gabst dem schmerz sein maass": seit 1940 zierte Die Toteninsel die reichskanzlei in Berlin. Aber es gab noch vier weitere versionen.
"Du nur verwehrtest dass uns (...) / In kalter zeit das heilige feuer losch": Heiliger Hain. Beide gemälde lassen verstehen warum gerade Böcklin von George (in 7107,I,6) als dichter aufgefasst wird.
I,5 die Schöne : Florenz
Viereinhalb monate nach Nietzsche verstarb auf seinem toskanischen anwesen in Fiesole der Schweizer maler Arnold Böcklin und spätestens im april 1902 war das gedicht fertig.
M bezieht die polemik der ersten zeilen auf Franz von Stuck und Max Liebermann. Böcklin verbrachte viele jahre in Italien und war mit einer italienerin verheiratet. Die ersten beiden strofen betonen seine sonderstellung in scharfem kontrast zu anderen künstlern seiner zeit - besonders den frivolen oder wie die naturalisten das unschöne (den "unrat") darstellenden sowie den anhängern einer zu repräsentativen zwecken ins übergrosse gerichteten (bau)kunst . . und münden in ein fiktives zitat in dem er seine rolle als retter einer kunst die „hebt” selbstbewusst verkündet. George hat ihm damit einen platz neben sich gegeben.
Um bekannte motive seiner gemälde geht es in der dritten und vierten strofe: die „freien warmen leiber” der liebespaare hirten und nymfen · die „schmalen wipfel” der zypressen oder die „nächtige schlucht” in deren dämmerlicht dennoch frisches grün den frühling anzeigt. Eine ganz persönliche würdigung der wirkung seiner kunst auf den Dichter beendet das gedicht. Unglückliche und zerrissene wesenszüge wie zuvor in der darstellung Nietzsches sind hier gar nicht anzutreffen. Wie viele andere dichter damals Böcklin huldigten zeigt Wk 351f., Anm. 10. Vor allem aber findet Aurnhammers gedichtinterpretation - wie könnte es auch anders sein - abschluss und krönung in der erkenntnis dass es George wieder einmal um "stilisierung" seiner selbst (und der "Elite um Stefan George") gehe: "zum legitimen Verheißungserben Böcklins und seiner Heroik" (ebd., 355) - was auch immer damit gemeint sein mag. Kein aufsatz über seine verse darf in Deutschland als gelungen betrachtet werden der nicht in dem ergebnis gipfelt dass es George stets um eigene interessen ging. Nirgends werden die selbst auferlegten rituale so pflichtschuldigst befolgt wiederholt und erneut befolgt wie in der deutschen germanistik. Es mag von der bequemlichkeit dieser erschlafften wissenschaft herrühren: die "forschung" kann sich des beifalls der fachwelt gewiss sein indem sie einfach bestätigt was alle anderen auch schon feststellten. Oder von ihrer ängstlichkeit: distanz zu George zu demonstrieren bewahrt vor unangenehmem verdacht.
Eine ansichtskarte von der Porta nigra die George im juni 1901 an Gundolf schickte zeugt von seinem besuch Triers gemeinsam mit Wolfskehl. Das römische stadttor wurde fast immer in erhabener einsamkeit abgebildet. Was die "hundert fenster" heute erblicken bleibt unsichtbar: die hässlichkeit der "barbarenhöhlen" und die dekadenz der bewohner über die Manlius das zepter zu schwingen ablehnen würde.
Haben die "schlechten hütten" wirklich solchen hohn verdient? Manlius' äusserung bezieht sich auf die historisierenden fassaden. Auch die unfähigkeit einen eigenen baustil auszuprägen kann als hinweis auf die blutleere einer gesellschaft gelten. Deshalb ist die Porta nigra so beschämend. Epigonenhafte züge trug auch die deutsche lyrik in den jahren vor Georges neuer sprache und der kargen strenge seiner frühen gedichtbände und der öffentlichen ausgaben die im gegensatz steht zum unernst solcher gebäude mit ihren putzigen türmchen und schmuck-elementen.
Die widmung zeigt nicht nur dass das gedicht noch vor dem bruch mit den kosmikern entstand sondern erinnert auch an Alfred Schulers vorstellung die wiedergeburt einer gestalt der römischen antike zu sein. Schuler könnte hier als vorgänger des strichjungen Manlius zu verstehen sein der als gerade erwachter „schatten” in dem gedicht zu wort kommt.
I,2 Treverstadt : Augusta Treverorum wurde unter kaiser Augustus auf dem siedlungsgebiet der keltischen Treverer am ufer der Mosel gegründet.
I,3; I,4 Da : hier temporal wie "als".
I,3 der schwester Roma : Im jahr 285 ernannte Diokletian seinen feldherrn Maximian zum Cäsar und im folgejahr sogar zum Augustus. Der mitkaiser war für den westen des Imperiums zuständig machte Trier zur residenz (Trier blieb es bis 390) und glänzte wie auch sein adoptivsohn und nachfolger Constantius Chlorus - der vater Konstantins - beispielsweise in kämpfen gegen germanische franken. Kriegsgefangene wurden gern als gladiatoren im kampf gegen wilde tiere eingesezt worauf das gedicht ja anspielt. Als sitz eines kaisers konnte sich Trier als „schwester” Roms empfinden.
I,7 tuben : plural zu tuba
I,7f. den Gott / Augustus. Damit könnte Maximian gemeint sein der sich mit Herakles - einem sohn des Zeus - identifizierte.
II,1 villen : villae rusticae waren die grossen bauernhöfe der römischen elite in den provinzen.
II,3 urnen : die auf dem kopf getragenen bauchigen (und deshalb wie „lebenschwellend” erscheinenden) tongefässe der antike für öl wein oder wasser. Es geht hier darum die vitalität der antiken welt sichtbar zu machen.
III,6 Gedunsne larven : meint die Manlius aufgedunsen und maskenhaft erstarrt vorkommenden gesichter der neuzeitlichen "fürsten priester knechte" die alle "gleicher art" sind - ein seitenhieb auf die bekannten ideen der aufklärung
III,7 zu feil : die gemeinten neuzeitlichen frauen wären selbst einem antiken sklaven nuttenhaft billig ( M: „zu leicht habbar”) vorgekommen.
Nicht die verächtlichmachung der neuzeitlichen bürger Triers steht im mittelpunkt des gedichts sondern das preisen des antiken knaben Manlius der sich - „gesalbt” ( ! ) mit den düften des orients - den römischen soldaten hingab. Die Porta nigra war für sie der ort wo sie ihn nachts antreffen konnten. Aber nicht dafür hat er die auszeichnung verdient sondern für die sicherheit des ästhetischen und moralischen empfindens die noch seinem „schatten” zu eigen ist. Sie zeigt sich einerseits darin wie er die antike welt zu schätzen weiss: für die vitalität und den inneren gehalt ihrer menschen („blut” ist das begriffliche signal dafür) und für den genuss den die urbane „pracht” · der kampf in den sportstätten (George zieht hier circus und amphitheater zusammen) und die aufzüge der kaiser · daneben die heiteren villen der Mosel und der „taumel” der ländlichen weinfeste dem leben verliehen. Kaum zu überschätzen ist sein hinweis auf die vor staunen und begeisterung "glühenden" grossen augen des antiken menschen während die banalität der entzauberten und aufgeklärten neuzeit lediglich "erloschne blicke" - also rein gar nichts - in den gelangweilten menschen weckt die alles kaltlässt.
So lässt sich Manlius nicht täuschen von dieser modernen welt die nur noch „entweihtes” kennt. Ihre museen kommen ihm wie „särge” vor und ihre häuser so geschmacklos dass er ihren bewohnern den rat gibt die Porta nigra abzureissen um den hohn des alten torbaus nicht länger ertragen zu müssen. Wohlwollen bringt er den verhöhnten nicht entgegen. Selbst die „schatten” der antiken menschen findet er lebendiger als die „gespenstern” gleichenden modernen zeitgenossen („fürsten priester knechte” meint die gesamtheit aller stände) über die Manlius die herrschaft nicht einmal geschenkt bekommen möchte - er der bemerkt hat dass eine christliche zeit über seinen „niedrigsten erwerb” nur verschämt schweigen kann während er angesichts der blutlosigkeit der modernen menschen sich seiner eigenen überlegenheit bewusst wird und nun mit stolzer bejahung auch über sein nächtliches leben am tor zu sprechen vermag.
Es ist nicht ganz auszuschliessen dass George dem Manlius züge Schulerschen denkens in den mund legte. Anderenfalls gäbe das gedicht auch eine antwort auf die frage worin die unversöhnlichkeit von Georges ablehnung der modernen bürgerlichen welt ihren ursprung hat.
III,5 das Geheimnis : als dessen beschirmer und nicht als entweiher werden Villiers Verlaine und Mallarmé (und mit ihnen eigentlich auch Paris oder jedenfalls seine "jugend") aus der moderne gewissermaassen herausgenommen die sich ja gerade darin erweist dass sie das heilige "entweiht" (7106,II,6). Ihnen fühlt sich George natürlich zugehörig wenn er seine empfänglichkeit für den "märchenruf" aus dem westen und die "verzauberten gewölbe" erwähnt.
Die in 7106 herrschende unversöhnlichkeit gegen das zeitgenössische Deutschland findet sich auch zu beginn von Georges danksagung an Frankreich: mit der erinnerung an die lage in der sich sein leben befand bevor er sich nach Paris begab. Er empfindet sie wie ein wanderer (man denkt an die PILGERFAHRTEN) der am "kreuzweg" stehend sich entscheiden muss. Einerseits bedrohte ihn die niedergeschlagenheit die er als unsicherer neunzehnjähriger empfand der noch nicht wusste welcher aufgabe er sich im leben stellen wollte - oder ob er sie meistern würde. Darauf bezieht M die „giftigen flammen”. Anderseits war er schon überzeugt dass er dem Deutschland seiner zeit gegenüber nur „ekel” verspürte und es daher meiden musste. Den undichterischen begriff „künstler” ersezt er in der frage durch „dichter” und stellt bekräftigend fest dass die wenigen anderen grossen schöpfer Deutschland verliessen: Böcklin (den George angesichts seiner mythische gehalte nicht nur illustrierenden sondern neu erschaffenden kraft als dichter auffasst) und - im übertragenen sinn - der dem tode entgegendämmernde verwirrte Nietzsche. Ohne sie wird Deutschland "arm" genannt obgleich es noch prahlen zu können glaubt.
Noch weiter zurück geht die erinnerung in der zweiten strofe: bis zum grossvater · dem „ahnen” aus Lothringen der dem enkel noch in Büdesheim von dem geliebten Frankreich erzählte das den „unerkannten und verjagten” (wie etwa Heine oder Herwegh) wie eine mutter war. So endet die strofe sogleich mit dem rauschen von Maas und Marne das den abiturienten im nachtzug begrüsst der im frühen morgenlicht zum ersten mal die fruchtbaren ebenen der Champagne erblickt bevor seine flucht mit der ankunft in Paris endet. Dort ergreift auch ihn die hochstimmung wie jeden anderen empfänglichen jugendlichen an diesem ort - aber zugleich wird in der nennung der drei grossen vorbilder erkennbar dass die reise einem ernsten zweck diente. Allen drei ist gemeinsam dass sie hier eher als leidende aufgeführt werden: Auguste Villiers de L’Isle-Adam der aus einem grafengeschlecht stammte und seit seiner jugend vergeblich hoffte den griechischen königsthron besteigen zu können (er war nicht einmal lyriker und wird hier wol nur erwähnt weil er ein freund Mallarmés war und George an seinem begräbnis teilnahm) · Paul Verlaine der dem alkohol verfiel und sich im gefängnis dem glauben zuwandte und schliesslich Stéphane Mallarmé dessen bürgerliche lebensform - er war verheiratet und unterrichtete dreissig jahre lang als englischlehrer an einer mädchenschule - George sicher als grösster aller schrecken vorgekommen sein dürfte während er als lyriker einen ähnlichen einfluss auf George hatte wie der hier nicht erwähnte Baudelaire. Der persönliche kontakt zu Mallarmé mit der einladung zu dessen dienstagabenden war der grösste erfolg dieser reise und von George - wie der beginn der lezten strofe zeigt - noch höher eingeschäzt als der „traum” von (räumlich oder zeitlich) ferneren welten wie Italien oder der antike.
Der zulezt zitierte vers aus dem altfranzösischen Rolandslied dürfte wie auch die überschrift als tröstende erinnerung daran zu verstehen sein dass deutsche wie franzosen leztlich „franken” seien oder „franken” als heimat beider zu verstehen sei. Bekanntlich hatte George sogar daran gedacht künftig nur noch in französischer oder einer an das französische angelehnten sprache zu dichten.
Die statue Leos XIII. zeigt den "Dreigekrönten" vor seiner grablege in S. Giovanni in Laterano mit der tiara - der mit einem dreifachen reifen gezierten papstkrone die zulezt 1963 von Paul VI. getragen wurde aber im wappen des Vatikanstaats weiterhin präsent ist. Im gottesdienst durfte sie nie gezeigt werden - sie war ein herrscherliches · kein priesterliches abzeichen.
Der „Arbeiterpapst” Leo XIII. begründete mit einer seiner zahlreichen enzykliken - „Rerum novarum” aus dem jahr 1901 - die katholische soziallehre weshalb er bis heute noch immer nicht aus allen schulbüchern geworfen wurde. Des papstes „sorgenwerk” interessierte George erwartungsgemäss wenig. Aber dass Giacchino Pecci ein ganz anderer mensch war als die üblichen „schranzen” · wie geschaffen für alle die „begierig nach verehrung” sind und angesichts „wahrer majestät” (also der grösse seiner persönlichkeit) noch den "schauer" empfinden können erklärt seinen beachtlichen platz in den ZEITGEDICHTEN. Das gedicht zeigt wie ihre ehrfurcht den gläubigen selbst zugutekommt.
I,1 schranzen : als eine hofschranze wird in spottender absicht ein höfling oder amtsträger am fürstenhof bezeichnet der es lediglich versteht sich allen wünschen des fürsten anzupassen und sich einzuschmeicheln. Sein aufstieg beruht also nicht auf leistung. Gelangt solch ein unwürdiger emporkömmling sogar selbst auf den thron ist das monarchische prinzip ad absurdum geführt.
I,7 hundertjährig : Leo XIII. starb im alter von dreiundneunzig jahren.
I,7 von der ewigen burg : gemeint ist die Engelsburg.
George zeichnet das bild eines mannes von freundlicher bescheidenheit dessen leibliche bedürfnisse durch ein einfaches mahl und die arbeit im „rebengarten” erfüllt werden. Eine persönliche vorliebe war daneben die marienverehrung der er frönte indem er hymnen dichtete (und die er auch als papst nach kräften förderte). Für das zitat in der dritten strofe wählt George dann aber doch lieber das 1901 entstandene (und von ihm aus dem lateinischen übertragene) gebet an den „heiligen knaben” (dazu SW VI/VII, 204f.) das freilich gerade in unserer zeit noch ergreifen kann. Der satz „Das neue heil kommt nur aus neuer liebe” wird häufig als abwandlung von Hölderlins „Liebe gebar die Welt, Freundschaft wird sie neu gebären” (Hyperion I, 113) verstanden so dass „aus neuer liebe” gleichbedeutend wäre mit „aus freundschaft”.
Im gedächtnis bleiben soll das auftreten papst Leos XIII. · im „erhabnen prunk” den segen spendend und mit seiner aura in der lage der „tausendköpfigen menge” für einen augenblick schönheit zu verleihen wenn sie - wie sogar der sprecher selbst - in ehrfurcht auf die knie sinkt weil er sie an die illusion des "wunders" glauben lässt. Ähnlich zeichnet George die menge in T062 während sie in 7103 wo das religiöse ergriffensein fehlt schon in seiner blossen vorstellung so abstossende züge gewinnt dass der ort des geschehens - das im Goethe-taumel befindliche Frankfurt des jubiläumsjahrs 1899 - fluchtartig verlassen wird bevor die menge überhaupt zusammenkommt. Mit dem begriff des wunders wird an das „geheimnis” im vorangegangenen gedicht angeknüpft.
Der dom zu Speyer war von seinem gründer Kaiser Konrad II. als grablege salischer herrscher vorgesehen. Auch die familien späterer könige bestatteten hier angehörige. In Deutschland gewann der dom insofern eine nationale bedeutung ähnlich dem Escorial oder St.-Germain-en-Laye und St. Denis in Spanien und Frankreich. Allerdings wusste man weder genaues über die lage noch über den zustand der in doppelter schichtung im östlichen chor nahe des Kreuzaltars unter bodenplatten gelegenen gräber. Zudem waren die gräber der oberen schicht von französischen soldaten während des Pfälzer erbfolgekriegs geplündert worden. Nach der reichsgründung von 1871 wuchs die nationale begeisterung - aber besuchern der kaisergräber konnte nichts sichtbares gezeigt werden.
Im jahr 1900 wurden die bodenplatten entfernt - der chor also „aufgescharrt” - und die steinernen sarkofage geöffnet. Die noch vorhandenen grabbeigaben wurden entnommen (sie befinden sich nun im nahen Historischen Museum der Pfalz) und die särge in eine begehbare gruft verbracht die von der krypta aus zugänglich ist. Grundzüge des Goethe-gedichts wiederholen sich nun: George der 1902 zusammen mit Gundolf die baustelle besuchte teilt zwar die verehrung wünscht sie sich aber in einer mehr verinnerlichten form. Hinter der kritik an der „leichenschändung” steckt der aus anderen ZEITGEDICHTEN vertraute gedanke dass es besser sei das „Geheimnis” zu „schirmen” (7107) oder dem „wunder” (7108) seine aura zu belassen anstatt den anspruch zu erheben alles „betasten” (7103) - also durchleuchten und erforschen zu dürfen was eigentlich ehrfürchtige schonung verdient. Ansonsten würden für künftige generationen nur „tote steine” zurückbleiben. Denn die in ihrer ruhe gestörte schar der erlauchten herrscher könnte den gräbern „entsteigen”. Nach dem gründer des geweihten gebäudes - in Georges schönem begriff „weihtum” liegt die ganze ehrfurcht die den forschern fehlt - werden mit den drei Heinrichen weitere salier genannt: der starke III. der in Rom deutsche päpste durchzusetzen vermochte · der IV. den George gegen spott angesichts seiner demütigung vor den burgtoren Canossas in schutz nimmt und schliesslich sein aufständischer gleichnamiger sohn.
Die dritte strofe springt zur dynastie der Habsburger. Auch Rudolf - der erste dieser familie auf dem königsthron - könnte sein grab verlassen von dem aus er zeuge der über jahrhunderte von seiner familie (dem "haus") geprägten reichsgeschichte wurde: neben Maximilian der als „lezter ritter” gelobt wird stehen ohne namensnennung jene die 1807 den untergang des Reichs und zuvor die durch „mönchezank” ausgelöste glaubensspaltung und ihre folgen „empörung” (etwa der lutherischen deutschen fürsten) und „fremdengeissel” (etwa der plündernden ausländischen truppen im Dreissigjährigen Krieg) nicht verhindern konnten - die „noch heut nicht heile wunde”. Die strofe bleibt aber bei der „klage” statt anzuklagen: das ist „treu”. George war Österreich immer mehr zugeneigt als Preussen. Allerdings verhehlt er nicht dass er die Donaumonarchie in ihren lezten zügen liegen sieht.
Da George für die anordnung der herrscher nicht die chronologische reihenfolge sondern eine klimax wählt wird von den staufern am ende gesprochen: zuerst von der in ehrender gross-schreibung genannten „Staufischen Ahnmutter” Beatrix von Burgund die als kaum sechzehnjährige Barbarossa heiratete danach elf kinder schenkte und in Speyer begraben liegt · nun aber ebenfalls wieder lebendig werden und (tatkräftig auch als frau !) den protest organisieren könnte. George stellt sich vor wen sie „aus dem süden her zu gast” rufen würde: ihren enkel Friedrich II. in begleitung seines lieblingssohns Enzio (ihn dessen schönheit historisch belegt ist machte er zum könig Sardiniens. Enzios militärische tapferkeit und sein tragisches schicksal berührten im Kaiserreich breitere kreise. Sogar dichtungen des vielseitig begabten jungen mannes sind erhalten. Seine bescheidene historische bedeutung hindert George nicht daran ihn zu berücksichtigen: Enzio steht für die mythische seite der wissenschaft vermag er doch die vorstellungskraft der menschen - oder wie es zu Friedrich heisst: ihr "sehnen" - zu entzünden. Und seine uneheliche herkunft wird George nicht missfallen haben).
Dass sein vater der „Grösste Friedrich” gewesen sei ist natürlich als seitenhieb gegen den preussischen Friedrich II. zu verstehen (in dessen kriegerischen erfolgen George so wenig einen vorzug erblickte wir in seiner förderung aufklärerischer gedanken). Hingegen wird der staufische Friedrich gelobt weil er nicht nur an die reichsidee (oder den „plan”) Karls des Grossen und der Ottonen anknüpfte - man könnte sagen: die vorstellung eines geeinten Europas im auge hatte sondern dazu noch mit „des Morgenlandes ungeheuren traum” (wobei nicht das Morgenland träumt sondern bestandteil des traumes ist) verband dass die asiatischen provinzen des römischen reichs bestandteil dieses Europas sein müssten. (Tatsächlich war Friedrich II. nach seinem friedlichen kreuzzug ja König von Jerusalem geworden.) Nicht vergessen werden Friedrichs wertschätzung der juden und ihrer gelehrten tradition (oder allgemeiner: seine religiöse duldsamkeit) und die wahrung des griechischen erbes auf das mit der nennung der sizilianischen griechenstädte Agrigent und Selinunt angespielt wird die ja zu Friedrichs reich gehörten. Wäre "feste" als übersetzung von "akropolis" zu verstehen (wie "veste" in 7113) klänge "festen" korrekter. Stattdessen soll wol die antike heiterkeit festlicher tage anklingen.
1927 erschien bei Bondi mit dem swastika-signet der „Werke der Wissenschaft aus dem Kreise der Blätter für die Kunst” eine grosse biografie Friedrichs II. Ihr autor Ernst Kantorowicz gehörte seit 1920 zum Kreis und hatte das werk auf wunsch und unter mithilfe Georges geschrieben. Es wurde zu einer der berühmtesten wissenschaftlichen leistungen die aus dem George-Kreis hervorgingen und machte den jungen historiker früh berühmt. Den von George vorgegebenen wissenschaftlichen grundsätzen des Kreises entsprechend (es gab ursprünglich keine fussnoten und quellenangaben) war es keine positivistische faktensammlung sondern eine schau der gestalt Friedrichs die seinen mythos einschloss und ihn im sinne Georges als „wahren volkes sehnen” darstellte. „Kaiser Friedrich der Zweite” blieb ein halbes jahrhundert lang das standardwerk über den berühmtesten aller staufer. Wegen seiner jüdischen abstammung musste Kantorowicz seine universitätslaufbahn seit 1939 in den USA fortsetzen.
Clement Harris war ein englischer komponist der nicht nur sein väterliches erbe dafür einsezte die griechen im krieg gegen die osmanen zu unterstützen. In Epirus wurde er während der schlacht von Pente Pigadia verwundet und von den türken gefangen genommen die den fünfundzwanzigjährigen - so jedenfalls Georges kenntnisstand - erschossen als sie sich zurückziehen mussten und er nicht transportfähig war. George hatte ihn in Frankfurt wo er das Konservatorium besuchte und von Clara Schumann im klavierspiel unterrichtet wurde über Clemens von Franckenstein kennen gelernt. Die nachricht der Frankfurter Zeitung über den tod des englischen freundes wurde noch nach Georges eigenem tod bei ihm gefunden (SW 18, 206). George mag das gedicht bald nach Harris’ tod 1897 geschrieben haben auch wenn es erst 1904 in den BfdK erschien.
Ähnlich wie einige jahre später bei Maximilian wird auch schon Harris’ tod umgedeutet und rationalisiert. Er habe ihm die „ärgste qual” erspart (weshalb er sogar „liebling” des schicksals genannt wird): in seinem leben auf „schranken” zu stossen und „öden” empfinden zu müssen. Selbst die schwermut darüber dass ihm nun bestimmte erfahrungen für immer verschlossen und manches glück „verhangen” seien möchte sich der sprecher als „süß” vorstellen. Da Harris sich ja nur im nordwesten Griechenlands aufhielt habe er das umland von Athen (gemeint ist das Hymettos-gebirge) und die Ägäis nicht selbst gesehen · wol aber im fieberrausch schöner vor augen haben können als sie in wirklichkeit waren. Nicht mehr auf rückkehr in die heimat hoffend habe er sich vorgestellt wie Pindar die helden lobte und dabei mögen ihm auch eigene lieder geklungen haben. So wird er (als der schuss sein leiden beendete) durchaus hochgestimmt gestorben sein.
Die dritte strofe würdigt ihn weil er trotz seiner sorglosen kindheit und seinem frühen künstlerischen erfolg nie anders als „fromm” (M: „erhaben”) gehandelt habe. Seine hilfe für die Griechen erscheint insofern als beispiel: ausdruck seiner dankbarkeit für die „wonnen” die ihm die beschäftigung mit dem antiken „Hellas” gewährten. Harris war mit seiner glühenden begeisterung und hingabebereitschaft der beweis dass das „edelste” - auch wenn es Manlius in Trier nicht fand - noch immer leben kann · gleichen rangs mit Boecklin der „in kalter zeit das heilige feuer” nicht erlöschen liess. „Des gottes volle” nennt die vierte strofe solche menschen deren vorbildliche lebensführung auch in anderen zuversichtliche aufbruchsstimmung („fahr-freude” durch lockendes „fern-dunkel”) zu wecken vermag.
Wer es unbedingt möchte mag die haltung des gedichts ruhig reaktionär nennen. Vor allem aber ist es der schlagende beweis dafür dass es bei George eine grundsätzliche „Misogynie” eben gerade nicht gegeben hat. Beiden schwestern gemeinsam gelten die erste und die lezte strofe während die zweite sich mit der jüngeren und die dritte mit der älteren befasst. Sophie von Alençon und Elisabeth („Sisi”) von Österreich waren töchter von Herzog Maximilian Joseph in Bayern und der Ludovika von Bayern. Sophie war 1867 als zwanzigjährige mit Ludwig II. - dem „strahlend Unseligen” - verlobt worden und wurde nach auflösung dieser verbindung - der „brachen (also wie ein brachliegendes feld unfruchtbaren) brautschaft” - mit Ferdinand von Alençon aus dem hause Orléans verheiratet - einem enkel des 1848 gestürzten Louis Philippe - für den hier die „drei heiligen lilien” des bourbonischen wappens stehen. Ihr angesichts einiger zudem keineswegs standesgemässen affären eigentlich durchaus bewegtes leben - sie sei „ganz liebe” gewesen trifft die wirklichkeit gut - widmete sie zulezt „still” nur noch der nächstenliebe und besonders der fürsorge für arme. In dramatischer anschaulichkeit feiert George das heldenhafte ihres todes der die fünfzigjährige ereilte als sie sich weigerte bei einer woltätigkeitsveranstaltung in Paris den in brand geratenen saal vor den anderen gästen zu verlassen. Sie war das prominenteste von über hundert opfern dieser katastrofe.
Nur ein jahr später wurde ihre zehn jahre ältere schwester Elisabeth am Genfer See von einem anarchisten erstochen. Es ist wichtig zu wissen dass sie ihre verletzung nicht ernst nahm und wie geplant an bord des hochmodernen neuen dampfschiffs „Genève” ging. Erst auf dem see brach sie zusammen so dass es für eine rettung zu spät war. Hervorgehoben wird ihre die menschen berührende wirkung durch jugendliche schönheit und später durch ihre schwermut - jederzeit aber verbunden mit „huld” - einer vornehmen freundlichkeit. Der jubel des volkes stieg ihr nicht zu kopf und nie ging sie ganz im alltäglichen und der gegenwart auf · wol aber mögen in ihr ahnungen eben erst entstehender welten aufgeflackert sein die wol eher blut- als "morgenrot" waren und zu ihrer inneren unruhe beitrugen die sie „zum meer zum land / Zum meer” trieb: Sisi war immer auf reisen. Ms hinweis auf ihre „Ähnlichkeit mit den Zügen des jungen Alfred Schuler” kann sich gewiss nicht auf äusserliches beziehen (dies käme einer beleidigung ihrer schönheit gleich) · allenfalls auf ihr vermögen sich wie er in andere zeiten hineinzuträumen oder sich ihnen gewissermaassen anzugleichen.
Ob George das wesen der beiden schwestern - wenn man sie als moderne und ihre selbstverwirklichung beanspruchende frauen auffasst - ganz verstand oder ob er lediglich ihre aussergewöhnlichkeit feiern wollte - die sie für ihn eher wie lezte vertreterinnen einer vergangenen welt absoluter herrscher erscheinen liess - sei dahingestellt. Leicht zu verstehen ist hingegen warum das gedicht von jenen nicht ernst genommen wird die sich den nachweis von Georges „Misogynie” zur lebensaufgabe gemacht haben. Osterkamp liegt diesmal gleich dreifach falsch: keine der schwestern wird - wie er zu lesen meint - "für ihren gewaltsamen tod" (2010, 273) geadelt. Als "fromme Dulderinnen" (2010, 274) - und damit auch historisch völlig verkehrt - hat George beide ja gerade nicht dargestellt. Und dass George sie zu "Ikonen" gemacht habe die als "Schmückedeinheim" seines Neuen Reichs taugten (ebd.) mag zwar neckisch klingen · taugt aber als stütze des "Misogynie"-vorwurfs rein gar nicht und widerlegt ihn sogar.
Denn das steht ausser frage: hier werden zwei frauen in kaum zu überbietender weise verherrlicht. Das beweist schon die eingangsstrofe wenn sie die frauen - gerade als frauen - hoch über alle männer stellt weil sie „ihr erlauchtes haar” zu recht mit stolz zu tragen wissen - welche zeit verschlingende aufmerksamkeit die österreichische kaiserin der pflege ihrer frisur widmete ist bekannt - während die männer (durch skandale und unfähigkeit) nur noch „bescholtne kronen” tragen und eben „von echtem königtume” schon weit entfernt sind. Das scheint auf demokratische attitüden abzuzielen die als „gebaren feiler (also sich auf billige weise anbiedernder) gleichheit” von den aristokratischer gesinnten schwestern noch unbedingt abgelehnt werden (die darin Ludwig II. ähnlich sind dem George ja den ALGABAL widmete). Heute applaudieren naive journalistinnen gern der „Bürgernähe” moderner monarchen die ihren einstigen untertanen nur noch „auf Augenhöhe begegnen” · jubeln wenn sie „ohne Berührungsängste” ein „Bad in der Menge” nehmen und zeigen mit nimmermüder begeisterung immer von neuem wie ihnen nicht einmal vor der nasenhöhe noch graust wenn ihnen ein maori-häuptling begegnet.
George hat sich oft bemüht hinter dem scheinbar blinden schicksal doch ein vernünftiges walten zu erkennen - besonders um sich mit dem frühen verlust Kronbergers zu versöhnen (etwa am ende der VORREDE ZU MAXIMIN T09 oder in 7410) · auch schon in den HYMNEN anlässlich des ablebens eines jungen infanten (in 116) und viel später noch (aber schon skeptischer) in dem dialog VICTOR · ADALBERT (948). Sogar hinter dem „wüten” des italienischen attentäters und des Pariser flammen-infernos könnte „vorsichtige sternenmilde” stecken die beiden auf ihre schönheit immer so bedachten schwestern deren „greises schwinden” ersparte. Ihr „jäher” tod „erlöste” sie - gerade noch im „vollen leben” stehend - von der gefahr das schwinden ihrer reize erleben zu müssen. Auch diese überlegung ist für George bezeichnend: ob das gewissermaassen freiwillige ignorieren der gefahr bei beiden schwestern - als ob ein „geheimer bann” sie hemmte sich gegen ihr von geburt an vorgegebenes loos zu stellen - nicht als ehrfurcht und damit teil ihrer inneren schönheit aufzufassen sei.
hagelschlossen : hagelkörner
in fieber : in fieberhafter erregung
tempelwort : anspielung auf ein unheils-orakel von Jesus bei seinem besuch im Jerusalemer tempel. Hier wol mit der bedeutung „mahnung” oder „drohung”.
Dem früheren Darmstädter mitschüler August Klein den der dankbare George anerkennend „Carl August” nannte waren schon die HYMNEN gewidmet. Gleichwol bezeichnet das „erste stürmejahr” die zeit des Berliner studentenlebens als sie sich erst richtig kennen lernten und in Bingen und Darmstadt auch gegenseitig besuchten. Kleins trotziger versuch mit dem blossen körper die reifen weintrauben gegen den hagel zu schützen soll sich bei ihm in Darmstadt zugetragen gaben (M) und in der tat gab es dort noch bis zum zweiten weltkrieg etwas weinbau der ende des neunzehnten jahrhunderts allerdings längst im niedergang begriffen war. Hier dürfte es sich um die „blauschwarzen” früchte einer am haus oder im garten gezogenen rebe handeln denn im erwerbsweinbau spielte der rotwein dort keine rolle. Die andeutungen solcher jugenderlebnisse und -geheimnisse der beiden zweiundzwanzigjährigen beschwören noch einmal das gefühl enger verbundenheit.
Klein war bis zulezt ein bewunderer Georges und diente ihm in vielen funktionen vor allem bei organisatorischen arbeiten um die nominell von Klein herausgegebenen Blätter für die Kunst. Die zweite strofe lässt keinen zweifel an seiner uneigennützigkeit. Als „spross deiner erde” steht er George der sich hier selbst anspricht besonders nahe. Allerdings gilt der preis nicht dieser erde - wie M merkwürdiger weise meint - sondern dem freund (allenfalls deuten die adjektive gemeinsamkeiten zwischen mensch und bodenqualität an) und seinem „blinden folgermut” also seiner unbedingten hingabebereitschaft („mut” meint hier noch wie im mittelalter eine gesinnung). Anschliessend lässt sich aber doch der grund einer entfremdung erkennen die 1907 längst eingesezt hatte: Klein hatte schon früh eine eigene familie gegründet der er sich verpflichtet fühlte (was George als „hartes joch” „fron” „opfer” und gar „martertum” empfindet - selbst hierin könnte man noch anerkennung erahnen bis er den begriff „wahn” ins spiel bringt um in frage zu stellen ob Klein seinen lebensweg überhaupt noch frei bestimmen konnte). Zulezt endet die dritte strofe doch mit einer mühsamen aber eindeutigen respektsbezeugung für Kleins verzicht auf das einsammeln der (künstlerischen) „besten früchte” seiner jugend. George sieht wie ernst Klein die anforderungen einer ehelichen „bindung” nahm - hält aber an der auffassung fest dass seine lebensentscheidung in Kleins „verderben” führte.
Und doch könnte dieses urteil mit einem augenzwinkern gesagt sein. Denn auch „aus den trümmern” lässt das gedicht Klein noch einmal zu wort kommen - das übertrieben drastische bild kann eigentlich nicht mehr den anspruch erheben ganz ernst gemeint zu sein. Aber was Klein in der vorstellung des Dichters zu sagen hat ist ein kerngedanke Georgescher ethik. Sie widerspricht der liberalen vorstellung wonach das recht des einzelnen jederzeit über allem steht: dessen erfolge sei es im wirtschaftsleben oder in den wissenschaften zählten wenig wenn zugleich „das mark das alle speist vermürbt”. Und auch sein eigener untergang - das opfer seines „kleinen lebens” - gelte weniger als dessen zweck: das vorbild ungebrochener „treue” zu bewahren. Der etwas rührseligen idee Klein zulezt noch einmal auf seine - also die gemeinsame - hessische herkunft hinweisen zu lassen (wenn M die bemerkung „von unsrem stamm” richtig versteht) hätte es vielleicht nicht unbedingt bedurft.
7113 DIE TOTE STADT
7114 DAS ZEITGEDICHT
72 GESTALTEN 7201-14
7201 DER KAMPF
7202 DIE FÜHRER
7203 DER FÜRST UND DER MINNER
7204 MANUEL UND MENES
7205 ALGABAL UND DER LYDER
7206 KÖNIG UND HARFNER
7207 SONNWENDZUG
7208 HEXENREIHEN
7209 TEMPLER
7210 DER HÜTER DES VORHOFS
7211 DER WIDERCHRIST
7212 DIE KINDHEIT DES HELDEN
7213 DER EID
7214 EINZUG
73 GEZEITEN 7301-21
7301 Wenn dich meine wünsche umschwärmen
7302 Für heute lass uns nur von sternendingen reden !
7303 Stern der dies jahr mir regiere !
7304 UMSCHAU
7305 SANG UND GEGENGESANG
7306 Betrübt als führten sie zum totenanger
7307 Du sagst dass fels und mauer freudig sich umwalden
7308 Trübe seele - so fragtest du - was trägst du trauer?
7309 DER SPIEGEL
7310 So holst du schon geraum mit armen reffen
7311 DANKSAGUNG
7312 ABSCHLUSS
7313 Das lockere saatgefilde lechzet krank
7314 Da waren trümmer nicht noch scherben
7315 Das kampfspiel das · wo es verlezt · nur spüret
7316 Was ist dies fremde nächtliche gemäuer?
7317 Wieviel noch fehlte dass das fest sich jähre
7318 Nun lass mich rufen über die verschneiten
7319 FLAMMEN
7320 WELLEN
7321 LOBGESANG
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